Doha Tagebuch 27.11.: Familientreffen

Heute ist der zweite und letzte Tag des Civil Society Forums in Doha. Die Stimmung ist nicht besonders angesichts des wirklich schwachen Entwurfs für die Abschlusserklärung. Nicht nur im Schuldenthema – auch Kollegen, die zu anderen Themen arbeiten, fühlen sich nicht gerade am Vorabend besserer Zeiten infolge der Konferenz.
Trotzdem bietet die Konferenz das, was eine Stärke der weltweiten Entschuldungsbewegung ist: Möglichkeiten zum Austausch mit Kolleg/innen aus allen Teilen der Welt, um gemeinsame Initiativen abzusprechen oder vergangene Kämpfe noch mal zu Revue passieren zu lassen. In unserem Fall z.B. mit den Kolleginnen aus Ecuador und Bolivien, mit Don von INFID aus Indonesien, wo wir über die nächsten Schritte im Fall der illegitimen Kriegsschiffexporte dringend reden müssen. Oder mit Tomas aus Prag, von dem ich tatsächlich glaube, dass ich ihn in Monterrey zuletzt getroffen habe. Das ist nützlich, sehr schön, und manchmal gar ein bisschen kuschelig, wie eine weit verzeigte Großfamilie.
In diesem Moment wird das Civil Society Statement verabschiedet. Peter Lanzet und Eva Hanfstängl diskutieren pflichtschuldigst mit. Ich bin nicht übermäßig optimistisch, dass Vieles davon Eingang in die verbleibenden offiziellen Beratungen finden wird. Diese sind allerdings noch nicht beendet. Die Regierungsdelegationen haben keine fertige Erklärung im Gepäck. Doha Flurfunk berichtet sogar von der realistischen Chance, dass es zu einer überhaupt keiner Abschlusserklärung kommen wird.
Das wiederum liegt nicht nur daran, dass die tapferen G77 sich von den reichen Ländern nicht über den Tisch ziehen lassen wollen. Insider des Verhandlungsprozesses zeichneten auch ein sehr ernüchterndes Bild der bisherigen Verhandlungsführung der Entwicklungsländer. Anders als vor Monterrey 2002, wo die Entwicklungsländer der G77 sehr gut organisiert und kompetent auftraten, und somit einen vergleichsweise brauchbaren Text durchsetzten, ist deren Verhandlungsführung nun viel schwächer, und ist auch das Interesse an einem positiven Abschluss nicht immer gegeben. Vielmehr gibt es in den G77 auch Staaten, die sich von einem Platzen des Prozesses einen Effekt wie bei der Torpedierung der Welthandelsrunde versprechen. Und sich von daher als andere als konstruktiv einbringen.
Von Heidi Wieczorek-Zeul gibt es eine Einladung zum NRO-Treffen am Samstag in aller Herrgottsfrühe in ihrem Hotel. Ihr eilt der Ruf voraus, eine der wenigen zu sein, die tatsächlich noch hart für ein positives Schlussdokument arbeitet.Deswegen werden wir die Gelegenheit zum Gespräch mit ihr natürlich wahrnehmen, und versuchen, auch den §46 noch mal aufzumachen. Wunder gibt es immer wieder.
Kamele habe ich in dieser von gesichtslosen Betonbauten und Schnellstraßen geprägten Stadt übrigens noch keine gesehen. Dafür gab es eine nette Entdeckung als ich gestern abend versehentlich im ersten Stock statt im Erdgeschoss aus dem Lift stieg: Über den Flur hörte ich einen beträchtlichen Lärm, und als ich dem an einem dezent platzierten Wächter vorbei folgte, stand ich plötzlich in einem veritablen englischen Pub, mit Champions League auf großen Bildschirmen, jeder Menge Qualm und unzähligen Männern im weißen Burnus mit Pint-Gläsern voller Heineken, Stella Artois und Fosters in der Hand. Manche schon recht gut bedient, wie z.B. Ibrahim aus der Armee, der mit etwas glasigen Augen versuchte, mir an der Theke Arabisch beizubringen. Immerhin sitzt man hier nicht bei Tee und Keksen am Abend…
Und schließlich will ich noch erwähnen, dass es beim Schreiben gerade an meine Tür klopfte. Draußen stand ein Mann mit Schäferhund und fragte, ob der Hund sich bei mir mal umsehen dürfte. Mumbay ist einigen wohl in die Knochen gefahren.