Stiglitz-Kommission: Rückenwind für FTAP

Bei einer Tagung im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit in Berlin haben sich heute sowohl Ministerin Wieczorek-Zeul als auch Nobelpreisträger Joseph Stiglitz für die Schaffung eines Internationalen Insolvenzverfahrens ausgesprochen.  Bei der Tagung, die sich mit den Folgen der Finanzkrise auf die Entwicklungsländer befasste, unterstrich die Ministerin den zuletzt in Doha beschlossenen “Debt Workout Mechanisms” als eine von drei Prioritäten im Rahmen der Kommissionsarbeit.

Die Stiglitz-Kommission war im Herbst vom Präsidenten der UNO-Generalversammlung berufen worden. Ihr gehören aktive und ehemalige Politiker sowie führende Akademiker in den Bereichen Finanz- und Entwicklungspolitik an. Sie trifft sich am 10. und 11. 3. in Genf zu ihrem vorletzten Plenum. Mit ihrem endgültigen Bericht an die UNO-Generalversammluing ist im Mai zu rechnen.

Deutschland und Pakistan vereinbaren Debt2Health

Am Rande der Doha-Konferenz haben Pakistan und Deutschland ein neues Abkommen zur Umwandlung von Schulden in Gesundheitsausgaben unterzeichnet (Debt2Health). Das Abkommen sieht vor, dass Pakistan 40 Millionen Euro seiner Auslandsschulden von Deutschland erlassen bekommt, und dafür selbst 20 Millionen Euro zusätzlich für Gesundheitsprogramme ausgibt, die durch den Globalen Fonds zur Bekämpfung von AIDS, Tuberkulose und Malaria unterstützt werden.

Das Abkommen wurde von Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul, Hina Rabbani Khar, Staatssekretärin für Finanzen und wirtschaftliche Angelegenheiten in Pakistan, und Dr. Michel Kazatchkine, Exekutivdirektor des Globalen Fonds, unterschrieben.

Pakistan ist das zweite Land, das von “Debt2Health” profitiert. Im September 2007 hat Deutschland Indonesien 50 Millionen Euro erlassen und Indonesien investiert die Hälfte dessen in Programme, die vom Globalen Fonds unterstützt werden.

erlassjahr.de unterstützt die genannten Schuldenumwandlungen und fordert eine Ausweitung auf weitere Länder.

Doha Tagebuch 29.11.08: Neuer Text

In aller Herrgottsfrüh lud die Rote Heidi zum NRO-Briefing und fast alle kamen. Der gestern angekündigte neue Textentwurf kam ebenfalls. Aber es war keine neue Erklärung in ganz anderem Format, wie gestern abend noch vermutet, sondern das alte Format, in dem einfach keine fettgedruckten (= umstrittenen) Stellen mehr waren, sondern alles im Nomaltext; in der Erwartung, dass dieses gemeinsame Produkt von Facilitatorn und Präsident der Generalversammlung am Stück zustimmungspflichtig sei.
Im Schuldenthema ist der neue Text eine Mischung aus der sehr brauchbaren vorletzten und der unterirdischen letzten Fassung. Statt “Orderly Debt Workout” heisst es jetzt “Sovereign Debt Restructuring Mechanism” – ein Begriff, der uns nicht ganz zufällig ziemlich bekannt vorkommt (SDRM war der Vorschlag des IWF für ein Internationales Insolvenzverfahren rund um die Monterrrey Konferenz). Von “Mediation and Arbitration” als eine Konkretisierung dessen, was denn nun neu und anders werden solle, ist indes keine Rede mehr.
Es wird berichtet, dass die vorliegende Fassung für die USA zustimmungsfähig sei. Das würde bedeuten, dass in unserem Thema zumindest eine in Washington normalerweise nicht goutierte Feststellungen Eingang in das Abschlussdokument finden würden: Die existierenden Verfahren werden von den Gläubigern gesteuert (§42). Ansonsten findest sich allerlei Mainstream im Dokument, den wir auch richtig finden, der aber noch nicht Praxis im internationalen Schuldenmanagement ist:
– Alle Gläubiger müssen in Entschuldungsverfahren einbezogen werden;
– Schuldentragfähigkeit muss alle Arten von externen Schocks berücksichtigen;
– Die aktuelle Krise erfordert mutiges und rasches Handeln.
Alles in allem: Wenn der Entwurf heute und in der kommenden Nacht so beschlossen wird, werden alle, uns eingeschlossen, nicht ganz so unglücklich ein, wie sie es zwischenzeitlich waren. Von einem Aufbruch zu entschlossenen Veränderungen in unserem oder einem anderen Themenfeld kann aber so was von keine Rede sein….!
Ich merke, wie man auch als radikale NRO-Stimme hier Teil der Show wird, und anfängt sich eben über solche Dinge wie die Anerkennung von Tatbeständen zu freuen, die eigentlich für niemanden ein Geheimnis sind. Was wir oder gar die Opfer von Überschuldung damit gewonnen haben? Nächste Frage!
Am schönsten brachte das heute ein Merril Lynch Investmentbanker, mit dem wir im Zusammenhang mit Debt2Health zu tun haben, auf den Punkt. Als Privatsektor-Mensch ist die Konferenz für ihn so etwas wie ein erstmaliges Eintauchen in die Welt der internationalen Organisationen und Regierungen. Ob eigentlich irgendjemand hier morgen etwas machen würde, was er ohne die Konferenz nicht gemacht hätte, fragte er mich. Ich habe, ehrlich gesagt, keine Ahnung.
Aber starke Zweifel.

Entwicklungsministerin für § 46 des Doha-Abschlussdokuments

Bundesministerin Wieczorek-Zeuk hat in einem Brief an die erlassjahr-AG in Göppingen erklärt, dass sie die Schaffung eines fairen und transparenten Insolvenzverfahrens für Staaten weiterhin unterstützt. Der entsprechende Paragraph §46 im Entwurf für die Abschlusserklärung der Doha-Konferenz Financing for Development findet ihre ausdrückliche Zustimmung.
Nachdem noch vor drei Wochen deutlich negativere Worte von ihr zu vernehmen waren, ist diese positive Haltung sicherlich auch ein Ergebnis der Postkartenaktion von erlassjahr.de.
Da gleichzeitig bei der ersten Dialogrunde über das Schuldenkapitel in New York die EU enttäuschenderweise den Paragraph abgelehnt hat, ist es nun umso wichtiger den Druck auf die Bundesregierung aufrecht zu erhalten. Die Entwicklungsländer in der G77 und einige Industrieländer unterstützen die Forderung nach einem neuen Verfahren nachdrücklich. Die Verhandlungen in den kommenden Wochen bis zur Konferenz selbst Ende November werden nun über den Ausgang des Doha-Prozesses an diesem Punkt entscheiden.
Natürlich wird eine UNO-Erklärung noch kein verändertes Verfahren auf den Weg bringen, aber die Ermutigung für verschuldete Länder, Alternativen zu den Gläubiger-dominierten Prozessen in der Weltbank und im Pariser Club zu verlangen, wäre gewaltig. Deshalb sollte der Druck auf die Bundesminister/innen Steinbrück und Wieczorek-Zeul unbedingt aufrecht erhalten werden. Postkarten können noch im erlassjahr-Büro bestellt werden. Und wie man sieht, beantwortet die Ministerin auch gerne freundliche Briefe.

Wieczorek-Zeul zu Geierfonds

Heidi Wieczorek-Zeul beantwortet erlassjahr.de’s Alarmbrief nach dem spektakulären Urteil zugunsten des Geier-Fonds “Donegal International”.

Die Bundesministerin verurteilt wie wir das Geschäftsmodell der Geierfonds. Für eine strukturelle Lösung sieht sie allerdings keine Möglichkeit. Statt dessen will sie technische Instrumente nutzen wie “Debt Reduction Facility” der Weltbank. Das sind neue Kredite (oder in Ausnahmefällen Zuschüsse) der IDA für Länder, um damit den Rückkauf von Schulden bei Privatgläubigern zu finanzieren. Das Problem bei solchen “technischen” Lösungen ist, dass die Rückkäufe mit der verbesserten Zahlungsfähigkeit der Schuldnerländer immer teurer werden. Schließlich verhalten sich die Geier nicht nur gesetzestreu, sondern auch marktkonform. Im Blog von Felix Salmon gabe es schon im Februar einen provozierenden und lesenswerten Beitrag dazu.

Es erscheint daher äußerst zweifelhaft, ob die Herren der HIPC/MDRI-Initiativen mit Rückkäufen den Geiern umfassend zuvorkommen oder ob sie mit Rechtshilfefonds für verklagte Länder “das hinter den Geierfonds stehende Modell unattraktiv machen” kann. An Geld für die Verteidiger in London hat es auch Sambia nicht gefehlt.

Brief von Ministerin Wieczorek-Zeul zu Geierfonds Seite 1 Brief von Ministerin Wieczorek-Zeul zu Geierfonds Seite 2